Willkommen an Bord!
Das Narrenschiff von Sebastian Brandt, veröffentlicht in Basel 1494, wurde in fünf Sprachen übersetzt und war ein europaweiter Bestseller.
In 115 Kapiteln werden Menschen durch den Kakao gezogen, die sich dumm anstellen oder aus der Norm fallen, die peinlich sind, unhöflich, gierig, grausam, neidisch, vergnügungssüchtig, selbstlos, weichherzig, eitel, faul, starrsinnig, redselig, unbelehrbar, sterblich,
die zu viele Gefühle haben, sich in die Falschen verlieben und zu viel trinken, die ihre Sachen nicht auf die Reihe kriegen, prokrastinieren, dazu Autoritäten mit zu wenig Respekt begegnen - und außerdem einfach verdammt gerne tanzen.
Ein Panoptikum, in dem wir uns mal selbst begegnen und dann auch wieder gar nicht.
Das uns zeigt, was wir längst, zumindest weitestgehend, überwunden haben (Stichwort Tischmanieren, Frauen besitzen, an die Hölle glauben) und was inzwischen die Seiten gewechselt hat – vom sanktionierten Verhalten zur neuen fröhlichen Norm.
Von der Scham zur Freude, von der Moral zur Freiheit. Und was wir immer noch nicht auf die Reihe kriegen, wie das mit dem Geld und der Armut.
Vor allem aber hält sich diese Idee des Narren selbst mit so einer schmerzhaften Hartnäckigkeit, diese Idee des Anderen, des Abweichenden, die Vorstellung von jemandem oder etwas, das ausgesperrt werden soll, verschifft, weg, nur weg. Es ist eine Utopie, aber heute Abend sitzen wir mal alle in einem Boot.
Leinen los!
Olivia Stahn